Zwischen Stadt und Land

Zwischen Stadt und Land ⏤ Den rurbaren Raum entwerfen

von Nell Kohlmann, Helen von Vöhren, Jan Tietz, Elena HankeKategorie: Bachelor, AbschlussarbeitZeitraum: 2020Betreuer*innen: Prof. Benedikt Stahl, Prof. Swen Geiss

Wir sind mehr Menschen als je zuvor. Um unsere Bedürfnisse und Begierden zu befriedigen, brauchen wir Raum. Dieser Raum entsteht überall, Zivilisation ist überall. Die historischen Städte können unseren Raumbedarf nicht stillen, sie breiten sich aus bis zur nächsten Stadt. Auf dem Land entstehen neue Häuser, Gärten, Produktionshallen, Gewächshäuser, Einkaufszentren, Windräder – verbunden mit Straßen, Schienen, Überlandleitungen und Kanälen.

Diese Struktur der verstädterten Landschaft oder verländlichten Stadt, ist eine neue Form von Umwelt und folgt ihrer eigenen Logik. Wir nennen sie den rurbanen Raum (engl. rural: ländlich; urban: städtisch). Sie ist in ihrer städtebaulichen Qualität weitestgehend unerforscht. In unserem Alltagsbewusstsein taucht sie gar nicht auf.

Unser konkreter Lebensraum, das Gebiet zwischen Köln und Bonn gehört zu diesem Phänomen des rurbanen Raums. Unsere Arbeit hat sich mit diesem Gebiet befasst und architektonische Lösungen gefunden. Unsere Arbeit beinhaltet sozialwissenschaftliche Fragen und Themen, die für die Entwicklung unseres Gebietes wichtig sind, sowie die sinnliche Erfassung des Raumes, in Form von Fotografien. Unser Gebiet ist von einem verschwenderischen Umgang mit Grund und Boden geprägt.

Es muss dichter und flexibler gebaut werden, um die endliche Ressource Grund und Boden zu erhalten, ohne die Qualität der Weitläufigkeit zu verlieren. Die Durchdringung von Landwirtschaft und Siedlungsstrukturen muss als Charaktereigenschaft des rurbanen Raums gefördert werden. Die räumliche Verbindung von Wohnen und Arbeiten schafft belebte und diverse Orte. Es braucht mehr öffentliche und gemeinschaftliche Räume, um ein qualitatives Zusammenleben zu ermöglichen. Für eine nachhaltige Zukunft, sowie menschen- statt autogerechte Räume, braucht es neue Mobilitätskonzepte.

Ortsbezug in Architektur und Städtebau schafft Qualität im Lebensraum. Die ausführliche Beschäftigung mit diesem Thema bildet die notwendige Grundlage für ein zukunftsgewandtes Bauen im Betrachtungsraum und bildet einenzentralen Beitrag zur Entwicklung des rurbanen Raums. Aufbauend auf diese Themen haben wir auf zwei konkreten Grundstücken innerhalb unseres Betrachtungsraums städtebauliche und gebäudeplanerische Lösungen im Maßstab 1:200 erarbeitet.

Betrachtungsraum zwischen Köln und Bonn

Der Entwurf in Alfter stellt eine Alternative zum für den rurbanen Raum typischen, monokulturellen Einfamilienhausquartier dar. Er ermöglicht flexibles Wohnen, in Zusammenhang mit gemeinschaftlichen und öffentlichen Nutzungen sowie die Verschmelzung von Gebäuden und Landschaft.

Der Standort in Kardorf ist vom scheinbar ungeplanten Zusammentreffen von Gewerbe- Wohn- und Einkaufsnutzungen geprägt, also ebenfalls typisch für den rurbanen Raum. Der Entwurf thematisiert die Nachverdichtung bereits versiegelter Flächen in Form von temporärer, modularer Architektur und arbeitet die Qualitäten des Nebeneinanders verschiedener Nutzungen heraus.

In der Unfertigkeit des rurbanen Raumes liegt ein immenses Potenzial, nicht nur für Architekteninnen und Stadtplanerinnen, sondern gerade für die Nutzerinnen und Bewohner innen. Unsere Arbeit reflektiert dieses spezifische Potenzial des rurbanen Raumes und verdeutlicht die Notwendigkeit sich mit diesem weitgehend ignorierten Phänomen auseinanderzusetzen.