polyamorös
Die Geschichte von Städten ist von extremen gesellschaftlichen Entwicklungen und Visionen von Stadtvätern /-müttern und Planern /-innen geprägt. Bad Honnef fehlt bisher eine solch starke Utopie, um städtebauliche Perspektiven zur Weiterentwicklung und Restrukturierung aufzeigen zu können und um verloren gegangene Qualitäten (Grünräume + Stadträume, heterogene Bautypen, Dichte, Durchmischung, Verbindung zum Rhein) wiederzufinden und neue zu entdecken. Ziel der Arbeit war es, drei pointierte Entwürfe mit verschiedenen thematischen Ausrichtungen für das Grundstück der (ehemaligen) Post in Bad Honnef zu entwickeln.
ENTWURF I
In „Reinventing: Density“ findet die Urbanisierung des Suburbanen statt. Dies schafft neue Qualitäten und Chancen, die in den wenigsten kleinstädtischen Strukturen vorhanden sind. Dichte spiegelt sich in Nutzungsund Nutzerdichte wider und schafft städtische Angebote. Ein Platz lädt ein, zu verweilen oder sich im öff entlichen Raum sportlich zu betätigen, während darunter ein Supermarkt die Lebensmittelversorgung wieder zentrumsnah und günstig erreichbar macht. Die aufgeständerten Wohnriegel sorgen für Zugänglichkeit und bilden gleichzeitig die Logenplätze des Stadttheaters, sie beheimaten kleine Wohneinheiten, in denen sich ein Individualraum mit je einer Nasszelle befi nden. Geteilt werden Küchen, Ess- und Wohnzimmer. Die Vielzahl der Einheiten schafft Verbindung und unverbindliche Angebote zwischen öff entlichen und privaten Nutzungen, ohne den Reiz eines anonymen Gebäudetyps zu verlieren.
ENTWURF II
Der Traum von großzügigen Freiflächen und dem romantischen Leben auf dem Land findet sein jähes Ende in den Badehandtuch großen Gärten des suburbanen Raumes. Fertighäuser bestimmen das Bild der Vor- & Kleinstädte. Sie sind das Manifest der Kernfamilie und die Flucht in Privatheit bis hin zur Einsamkeit. Trennwände und Gartenzäune separieren unmissverständlich das Öffentliche vom Eigentum. Vorgärten werden als pflegeleichte Steingärten angelegt, Bepflanzung findet man hier nur selten. Menschen suchen heute Alternativen zu diesem Bild des (klein-)städtischen Wohnens. Dieser Entwurf hat das Ziel, ein Gegenangebot zur aktuellen Kultur des Einfamilienhauses zu bieten, ohne auf dessen Qualitäten und Eigenschaft en zu verzichten. Als Inspiration diente das antike Bild des Oikos. Das Haus wird nicht mehr zum reinen Erholungs- und Rückzugsort degradiert, Arbeiten und Haushalten werden selbstverständlich im Wohnen integriert. Im Erdgeschoss befinden sich kleine Gewerbeeinheiten der BewohnerInnen des Hauses. Sie sind durch eine Zwischenzone vom Wohnraum getrennt. Im Zentrum des Wohnraums steht die gemeinsame Küche mit Wohn- und Essbereich. Im Obergeschoss befinden sich die Privaträume der Bewohnerinnen. Auf dem gemeinsam genutzten Dach wird Obst und Gemüse angebaut.
ENTWURF III
Mit „Do it yourself: Kleinstadt“ wird den Bewohnern /-innen ermöglicht, ihr eigenes Haus zu erbauen und den Bauprozess über einen längeren Zeitraum zu strecken. Den Ausgangspunkt bilden dabei (Haus-) Kerne, die auf dem Grundstück verteilt werden. Sie stellen eine energetische Grundversorgung bereit und bieten einen Wohnraum. An jedem Kern kann dann im Laufe der Zeit angebaut werden, um neue Räume zu schaffen. Material und Werkzeug finden die Selbstbauerinnen in einer Werk- und Lagerhalle, welche sich alle BewohnerInnen teilen. Eine wichtige Referenz war die Stadt Milet, welche mit einem strengen Raster angelegt und bebaut wurde. Öffentliche Gebäude und Monumente wurden an zentralen Plätzen errichtet. Im Falle der Selbstbaustruktur bildet ein kleiner Platz das gemeinsame Monument der Bewohner. Er dient Versammlungen und Festen, ist aber ebenso für die (externe) Öffentlichkeit zugänglich und bietet die Option kleine Gewerbe zu betreiben. Darüber hinaus soll durch gassenartige Erschließungswege städtische Qualität entstehen. Um eine gemeinsame Entwicklungsgrundlage zu schaffen, wurden einfache (baulich-räumliche) Regeln entwickelt, nach denen dieser wabernde, sich ständig verändernde Organismus, wachsen und gedeihen kann. Dennoch fordert die dicht wachsende Struktur auch Kommunikation und nachbarschaftliche Hilfe und Absprache, welche auch im suburbanen Raum längst nicht mehr selbstverständlich ist. Zur Strategie „empowerment“ ist es essentiell, Laieninnen den Bauprozess verständlich zu erklären. Dazu wurde eine Bauanleitung entwickelt, welche den Bauprozess in kleinere Teile gliedert und Schritt für Schritt erklärt, was als nächstes zu tun ist.