Biobasierte Baustoffe

Die Zukunft des Bauens wächst ⏤

Im November 2020 wurde das dreijährige Forschungsprojekt zur Optimierung von Forschungsinfrastrukturen und der Entwicklung von Baumaterialien aus Nachwachsenden Rohstoffen abgeschlossen. Am Fachbereich Architektur der Alanus Hochschule wurden wichtige Teilprojekte fertiggestellt.

Text: Prof. Dr.-Ing. Mathias Wirths

HOCHSCHULVERBUND Universität Bonn, Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft
GEFÖRDERT Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE)
GESAMTKOORDINATION Prof. Dr. Ralf Pude, Universität Bonn
PROJEKTLEITER AN DER ALANUS HOCHSCHULE Prof. Dr. Mathias Wirths

Zur Verbesserung der Forschungs-Infrastruktur wurden in Kooperation mit der Stadt Meckenheim Entwürfe zur Errichtung eines Showrooms für Nachwachsende Rohstoffe im Unternehmerpark Kottenforst im Sommersemester 2020 erarbeitet.

Kottenforster Kiste // Gabriel Cruz-Libardi

Im „Showroom“ sollen Interessierte über das Bauen mit Nachwachsenden Rohstoffen und über den Unternehmerpark Kottenforst informiert werden. Dazu ist geplant, eine dauerhafte Ausstellung zu den Aktivitäten des bio-innovation-park sowie zu Nachwachsenden Rohstoffen hier unterzubringen. Das Gebäude soll ebenso für Seminare und Vorträge zu nutzen sein. Die vorgesehene prinzipielle Gestaltung des Grundstückes soll berücksichtigt werden. Als Baustoffe kommen überwiegend nachwachsende Rohstoffe in Betracht. Der Showroom ist nach einem Kleingebäude (Workbox) das zweite Gebäude auf dem Grundstück. Er hat einen werbewirksamen Charakter und soll auch als Landmarke dienen. Eine Verknüpfung des Gebäudes mit einer Möglichkeit über das Gelände zu blicken, „Aussichtsplattform“, ist zu begrüßen. Langfristig soll auf gleichem Gelände das Kompetenzzentrum Nachwachsende Rohstoffe NRW entstehen.

Mit Studierenden der Alanus Hochschule, betreut durch Prof. M. Wirths und J. Knopp, wurden im Sommersemester 2020 Entwürfe für diese Gebäude entwickelt. Die Ergebnisse wurden der Öffentlichkeit (Rat Stadt Meckenheim, Wirtschaftsförderung) bei der Übergabe der „Workbox“ am 08.10.2020 präsentiert.

Atelier Meckenheim // Luis Klocke

ENTWICKLUNG EINER MASCHINELLEN MECHANISCHEN OBERFLÄCHENBEARBEITUNG VON MISCANTHUS GIGANTEUS ZUR HERSTELLUNG VON HOLZWERKSTOFFÄHNLICHEN PLATTEN

Die Arbeit „Miscanthus 2.0 Optimierung der Verbindungseigenschaften von Miscanthus“ von Percy-Bodo v. Oheimb-Loup setzt direkt an seiner vorangegangenen Bachelor-Thesis „Empirische Studien zu Miscanthus-Tragwerken“ an. Im Gegensatz zum Makro-Betrachtungsmaßstab, welcher sich aus den Leitfragen der generellen Umsetzbarkeit einer solchen Konstruktion sowie der statischen Leistungsfähigkeit des Rohstoffes innerhalb der vorangegangenen Arbeit ableitete, steht bei Miscanthus 2.0 die Mikro-Betrachtungsebene im Fokus.

Abschnitt Miscanthus-Tragwerk (links) und “Miscanthus-Biber 3” (rechts), eine Maschine zur Oberflächenbearbeitung // Percy-Bodo v. Oheimb-Loup

Dies ist eine interdisziplinäre Neubetrachtung und Optimierung aller im Feldversuch eingesetzten Komponenten, deren Fertigungsmethoden und insbesondere deren Materialverbindungen.

Eine Analyse der Oberflächenstruktur von Miscanthus-Halmen ist der Ausgangspunkt für eine sich kontinuierlich erweiternde Experimentalstudie zur Oberflächenbearbeitung des Ausgangsmaterials und den dadurch veränderten Eigenschaften im Zusammenspiel mit verschiedenen Verklebetechniken. Basierend auf den Ergebnissen von bereits mehr als 120 Einzelversuchen ist die eigenständige Prototypen-Entwicklung einer Maschine zur Oberflächenbearbeitung von Miscanthus ein wichtiges Ergebnis des interdisziplinären Forschungsansatzes im EFRE Projekt.

Die „Miscanthus-Biber A3“ bezeichnete Maschine (A3 = drei Achsen) ist in der Lage, Miscanthus zu schälen und die Oberfläche der Stängel mechanisch aufzurauen. Die als Laborgerät konzipierte Maschine kann verschiedene Schleifmittel aufnehmen, sowie die Umdrehungen/Minute der Achsen von Vorschub und Bearbeitung stufenlos regeln. Die zunächst aus Kostengründen in kleinerem Maßstab getesteten Schleifmittel wurden als Industriebürsten für 19mm Wellen im Miscanthusbiber eingebaut. Hierbei sind für den Schälvorgang Bürsten mit Edelstahlborsten ausreichend, für das Aufrauen werden schwammartige Bürsten mit keramischen Schleifzusätzen verwendet.

„Miscanthus-Biber A3“

Vergleichende Zugversuche von eingeleimten unbehandelten Miscanthusproben und nach der Behandlung mit dem Miscanthus-Biber A3 zeigen eine wesentlich gesteigerte Zugfestigkeit bei den behandelten Proben. Damit ist der Nachweis für Funktionalität des Miscanthus-Biber A3 belegt.


Im Materialkundelabor des Departments Architektur der Universität Siegen wurden die Proben auf Zug bis zum Versagen belastet. Nachfolgende Kurven zeigen den Kraft/Weg-Verlauf von unbehandelten Miscanthusstängeln in Buchewürfel mit 30mm Kantenlänge eingeleimt (Bindemittel Ponal classic), die durchschnittliche Haftkraft /mm² der eingeleimten Mantelfläche
der Probe beträgt 0,124N/mm². Die dritte Probe in diesem Versuch versagte sofort (manuell abgelesene Kraftaufnahme 38N) und wurde daher bei der Bildung des Durchschnittswertes nicht berücksichtigt.

Unten stehende Kurven zeigen Miscanthusstängel nach „Biberbehandlung“ in Buchewürfel mit 30mm Kantenlänge eingeleimt (Bindemittel Ponal classic), die durchschnittliche Haftkraft / mm² der eingeleimten Mantelfläche der Probe beträgt hier 2,828 N / mm².

Aufnahmen des Rasterelektronenmikroskops visualisieren die in den Tabellen deutlich gewordenen Effekte durch das Aufrauen mit dem Miscanthusbiber.

Mikroskopische Darstellung der aufgerauten Miscanthus-Oberfläche

GESAMTBETRACHTUNG 2017–2020

Aus Sicht der Alanus Hochschule ist die Förderung des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung für das Projekt „Biobasierte Produkte“ als sehr erfolgreich zu bewerten. Dank dieser Unterstützung konnten an der Alanus Hochschule eine Master-Thesis, zwei Bachelor-Thesen und zahlreiche Studienprojekte mit außerordentlichen Ergebnissen abgeschlossen werden.

Die Vernetzung der Alanus Hochschule mit Wissenschaftlern*innen der Universität Bonn (besonders dem Team von Prof. Dr. Ralf Pude) sowie der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, mit Kommunen und Unternehmen der Region ist wesentlich vertieft und verstetigt worden. Gemeinsame Forschungsaktivitäten erfolgen bereits über den Zeitraum EFRE-Förderung hinaus.

Ergebnisse der in den Arbeitspaketen formulierten Aufgaben sind Entwürfe für eine bauliche Erweiterung des Campus-Klein-Altendorf sowie der Nutzungsänderung einer Wagenhalle für Laborzwecke, Kunstobjekte mit Miscanthus (Wissenschaftsnacht der Universität Bonn), Untersuchungen zur konstruktiven Anwendung von Miscanthus (Vorüberlegungen für Träger aus Miscanthus, prototypische Entwicklung von Dämmplatten aus Miscanthus, Verbindung von Lehm und Miscanthus für den Innenausbau), Herstellung und in situ Belastung eines Fachwerkträgers aus Miscanthus, Entwicklung von Werkzeug und Maschinen zur Miscanthusbearbeitung, Entwicklung eines Konzeptes zur Verstetigung der Forschung in einem Kompetenzzentrum NRW für Nachwachsende Rohstoffe im Unternehmerpark Kottenforst, Entwürfe für erste Gebäude (Showroom Meckenheim), sowie die Planung und Realisierung eines Demonstrators (workbox Meckenheim). Des weiteren wurden verschiedene Prototypen für holzwerkstoffähnliche Platten mit unterschiedlichen ästhetischem Anforderungsprofil entwickelt. Die Entwicklung der Bearbeitungsmaschine „Miscanthus-Biber“ hat viel Zeit gekostet, die guten Versuchsergebnisse von Miscanthusstängeln, die mit dieser Maschine bearbeitet wurden, rechtfertigen nicht nur den Aufwand, sondern sind Auftrag und Ansporn über den Zeitraum der Projektförderung hinaus die Forschung auf dem Feld der holzwerkstoffähnlichen Platten auf Basis langfaseriger Misanthusspäne voranzutreiben.

Besonders hervorzuheben ist die Zusammenarbeit mit der Stadt Meckenheim im Zeitraum der Projektförderung (Errichtung des Demonstrators „workbox“) und über diesen hinaus. Gemeinsam mit den übrigen Projektbeteiligten arbeitet die Alanus Hochschule im Netzwerk bio innovation park an dem Ziel der Implementierung eines NRW-Kompetenzzentrum für Baumaterial aus Nachwachsenden Rohstoffen. Auch hier sind bereits weitere Kooperationen über die Förderdauer hinaus (Miscathusfreiluftlabor mit Studierenden) für 2021 geplant.

Das bisher Erreichte spornt an, die Forschung auf dem Gebiet der Baustoffe aus Nachwachsenden Rohstoffen weiter zu verfolgen. Es ist mehr als deutlich geworden, dass die bisher untersuchten Pflanzen wie Miscanthus und Paulownia das Potential haben, einen wertvollen Beitrag zur Minimierung der CO2-Emissionen zu leisten. Die Verantwortung für nachfolgende Generationen verpflichtet, die zahlreichen in diesem Projekt entwickelten Ideen für nachhaltige Baustoffe weiter zu verfolgen.

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