Modulbau trifft Moderne

Modulbau trifft Moderne

Exkursion vom 25. Bis 29. Mai 2025 – Leipzig und Umgebung
Text: Maximilian Jolliet

25.05. Ankommen in der Nudelfabrik Zeitz

Am 25. Mai trudelten wir, nach langer Autofahrt, Staus und Tankpausen, nach und nach in der alten Nudelfabrik in Zeitz ein. Gegen 17 Uhr war das Gepäck verstaut, das erste Staunen groß: Die Nudelfabrik, ein charmant-wildes Ensemble aus industrieller Vergangenheit und künstlerischer Gegenwart, war für die nächsten Tage unser Zuhause. Begrüßt von den Professoren, machten wir uns auf, die Zimmer zu erkunden. Alte Backsteinwände trafen auf moderne Duschen, improvisierte, aber liebevoll gestaltete Badezimmer und künstlerische Objekte, die dem Ort einen ganz eigenen Charakter verliehen. Zwischen den Spuren der Geschichte lag ein Hauch von Atelier, WG, Jugendherberge und Architekturmanifest. Noch waren wir zwei Gruppen, die sich nicht kannten: die Uni Siegen auf der einen, die Alanus Hochschule auf der anderen Seite. Skeptische Blicke, höfliche Worte.
Doch wie man weiß – Liebe geht durch den Magen. Architektur übrigens auch.
Beim gemeinsamen Abendessen, gekocht von Professor Mathias Wirths, fiel die letzte Scheu. Spätestens nach dem zweiten Glas Wein verschwammen die Grenzen zwischen den Hochschulen, und es wurde diskutiert, gelacht und über Architektur philosophiert, als würde man sich schon seit Jahren kennen.

26.05. Vom Besuch bei Porsche zur Bauhaus-Legende

Der nächste Morgen begann mit einem unerwartet großartigen Kaffee in der Nudelfabrik. Noch etwas verschlafen, aber zunehmend wacher, erst durch das Koffein, dann durch die Gespräche am Frühstückstisch, brachen wir gemeinsam auf in Richtung Leipzig: Ziel war das Porsche Experience Center.Schon bei der Anfahrt blieb kaum Zeit zum Blinzeln. Porsche soweit das Auge reichte. Auf Hochglanz polierte Karosserien, scharfe Linien, Performance pur. Die geballte Ästhetik der Geschwindigkeit. Professor Marek Nowak leitete uns mit ersten Erläuterungen ein, bevor ein Mitarbeiter die Führung durch das Werk übernahm.

Wir sahen Produktion auf höchstem Niveau. Bis zu 600 Fahrzeuge am Tag. Ein Takt alle zwei Minuten. Jeder Griff, jede Bewegung, jede Montage exakt geplant und optimiert. Und doch lag über allem eine fast unerwartete Ruhe – als würde selbst der Produktionslärm dem Design Respekt zollen.Die Architektur des Zentrums spiegelt diese Philosophie wider: Geradlinig, elegant, funktional. Und dennoch mit emotionalem Moment – wie ein 911er, der auf dem Asphalt schnurrt. In einem abschließenden Rundgang konnten wir das Experience Center selbst erkunden: Motorsport zum Anfassen, Porsche-Kultur zum Eintauchen. Ein Ort, der Technik und Emotion, Corporate Design und Raumgestaltung auf beeindruckende Weise vereint.

Nach einer kurzen Mittagspause ging es weiter: Spontan (nach einer Planänderung) nach Dessau, ins Herz der Moderne (Wie Marek Nowak so schön sagte: “Architektur braucht Geschwindigkeit!”).

Das Bauhaus: Ort der Legenden, Startpunkt unzähliger Debatten über Raum, Raster und Reduktion. Die strenge Logik der Fassaden, das rhythmische Spiel der Fensterbänder, die ikonische Typografie.Einige von uns stöberten im Shop, andere stärkten sich bei einem Espresso im Café. Danach standen noch die Meisterhäuser auf dem Programm: Architektur als Ensemble, als Haltung.
Die Wohnhäuser von Gropius, Kandinsky, Klee und Konsorten wirken fast zurückhaltend und strahlen doch eine Klarheit und Würde aus, die bis heute beeindruckt. Weiße Kuben im Kiefernwald, Flachdächer, asymmetrische Grundrisse: Die Idee vom neuen Wohnen, eingebettet in Licht und Luft. Am Abend kehrten wir zurück in die Nudelfabrik. Gemeinsames Essen, Gespräche über Modulbau, Werkserfahrungen und Designideale. Für manche endete der Tag spät, für andere gar nicht. Die Tage begannen, ineinander zu fließen – genau wie gute Architektur in ihren Kontext.

27.05. Kleusbergscher’ Modulbau

Gestärkt durch den mittlerweile legendären Kaffee aus der Nudelfabrik begann unser dritter Tag. Ziel: Dölbau. Genauer: das Werk der Firma Kleusberg – Spezialist für modularen Holzhybridbau.
Schon die Begrüßung war einladend. Goodie-Bags erwarteten uns auf den Stühlen am großen Besprechungstisch. Nach einer kurzen Einführung folgten mehrere Präsentationen, die uns mit dem Prinzip von Kleusberg vertraut machten.
Modulbau auf höchstem Niveau: Schulgebäude, Krankenhäuser, temporäre Unterkünfte, Büroneubauten. Was normalerweise Monate dauert, steht hier in Wochen. Rückbaubar, anpassbar, wiederverwendbar. Architektur mit System und dennoch ohne Einheitsbrei. Besonders eindrücklich war der „Schulbaukasten“: Ein gestaffeltes Modulsystem in drei Ausstattungsstufen, das sich flexibel auf die Bedürfnisse von Kommunen zuschneiden lässt. Fast wie Lego …nur deutlich größer und mit Brandschutzkonzept.
Nach einem leckeren Mittagsbuffet wurden wir durch das Werk geführt: Lagerhallen, Metallbaulehren, Lackiererei, Holzständerwerk, sogar die hauseigene Stahlfertigung. Ein einmaliger Einblick in einen Industriebauprozess, bei dem Architektur nicht als Endprodukt, sondern als bewegliches System gedacht wird.

Und dann: der Moment, in dem alle nochmal tief durchatmeten. Der 24-Stunden-Entwurf wurde angekündigt – inklusive Wettbewerb. Die Aufgabe: eine architektonische Intervention im ländlichen Raum entwickeln – mit den Mitteln des modularen Bauens. Also: Wie kann man durch schnelle, intelligente Architektur Impulse setzen, wo sonst Leerstand und Schrumpfung dominieren? Die Rückfahrt zur Nudelfabrik war kurz, die Spannung im Auto groß. Angekommen, flogen die Entwurfsutensilien aus den Taschen, die Köpfe rauchten. Kleusberg spendierte Pizza, als Nervennahrung für die Nacht.
Und dann wurde gearbeitet. Gezeichnet, diskutiert, getüftelt. Bis tief in die Nacht – und weiter. Gegen vier Uhr morgens gingen die letzten Lichter aus. Ein bisschen Schlaf. Ein bisschen Stille. Die Ruhe vor dem Sturm.

28.05. Der Entwurf – mit Geschwindigkeit!

Der Morgen begann, wenig überraschend, mit einer gehörigen Portion Kaffee. Oder, wie wir es mitlerweile nannten: Motivation. Nach einer kurzen Stärkung ging es direkt zurück an die Tische, zurück in die Gruppen, zurück in die Entwürfe.
Sieben Gruppen, sieben Ansätze, sieben kleine Baustellen. Jede mit eigener Idee, eigener Arbeitsweise, eigenem Rhythmus. Es wurde geschoben, skizziert und gefeilt. Modelle wuchsen, Konzepte wurden geschärft, Strich für Strich entstand etwas Eigenes.
Die Betreuung lief auf Hochtouren. Zwischen Architekturkritik, Materialdiskussion und Maßstabskonflikten war der Tag schneller halb vorbei, als wir dachten. Zum Mittag spendierte Kleusberg erneut ein Buffet (diesmal asiatische Nudeln, vielleicht ein kleiner Gruß an die Modularität auch im Kochtopf).
Und dann, Punkt 16 Uhr: Final Countdown. Die letzte Linie, der letzte Schnitt, der letzte Karton wurde geklebt, just in dem Moment, in dem die Jury eintraf, darunter erneut Vertreter von Kleusberg. Die Präsentationen begannen. Und mit ihnen eine überraschende Vielfalt
Es wurde gelauscht, gefragt, nachgehakt (und gezittert). Doch am Ende war klar: Es ging nicht ums Gewinnen. Sondern ums Denken, ums Testen, ums Ausprobieren. Jede Gruppe hatte ihren ganz eigenen Moment, jede Idee ihren Wert. Architektur, wie sie sein kann – offen, dynamisch, prozesshaft.

29.05. Abschied (aber mit Aussicht!)

Der letzte Morgen begann… nun ja, etwas holprig. Die Kaffeemaschine streikte. Ein kleiner Nervenzusammenbruch in der Nudelfabrik-Küche. Manch einer behauptet, schlimmer als jede Abgabephase.
Trotzdem: Die Taschen gepackt, die Zimmer geräumt, und ein letzter Blick auf das kunstvoll improvisierte Zuhause der letzten Tage. Doch ganz vorbei war es noch nicht.
Bevor wir die Rückfahrt antraten, führte uns der Weg zur Kunsthochschule Halle – der Burg Giebichenstein. Auf einer kleinen Tour über und durch den Campus erhielten wir Einblicke in die kreative Atmosphäre der Hochschule: Werkstätten, offene Ateliers, begrünte Höfe und skulpturale Eingriffe, ein inspirierender Ort, an dem Kunst und Gestaltung sichtbar atmen dürfen.
Danach ging es noch zur Moritzburg: Für einige war noch Zeit, das Museum zu besuchen, für andere hieß es schon leise Ade! zu sagen – zu Kommiliton:innen, zu neuen Freunden, zu einer Woche voller Eindrücke.
Denn auch wenn es nur wenige Tage waren, entstanden eingeschweißte Teams, spontane Vertrautheiten und echte Verbindungen. Und wie sagt man so schön? Man sieht sich immer zweimal im Leben.
In diesem Sinne: Leipzig, Porsche, Bauhaus, Kleusberg – wir kommen wieder.

Zum Abschluss des Tages: ein letztes gemeinsames Abendessen, gekocht von Professor Mathias Wirths. Es gab Geschnetzeltes mit Reis – und dazu das eine oder andere Glas Wein. Nicht nur zur Beruhigung der Nerven, sondern auch zum Feiern der Arbeit, der Begegnungen, der Gespräche.

Die letzte Nacht in der Nudelfabrik verlief – wie könnte es anders sein – für manche früher, für andere später. Aber alle gingen mit dem Gefühl ins Bett: Das war mehr als nur eine Exkursion.