Das Gebäude ist das Ziel
Seit 2020 ist Dipl.-Ing. Hagen Schmidt-Bleker Honorarprofessor für Building Information Modelling im Fachbereich Architektur der Alanus Hochschule. Im Gespräch mit Christian Reinecke erzählt er über seine Motivation, im Fachbereich zu lehren und zu forschen und was ihn an der Digitalisierung fasziniert:
Prof. Dipl.-Ing. Hagen Schmidt-Bleker
Honorarprofessor für Building Information Modelling
Vorstand FORMITAS AG Aachen
Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Digitalisierung in Planung, Bauen und Gebäudebetrieb, Building Information Modeling in der Anwendung, Veränderungsprozesse in Planungs- und Bauprojekten
LIEBER HAGEN, HERZLICH WILLKOMMEN ALS NEUER PROFESSOR AM FACHBEREICH ARCHITEKTUR! WIE BIST DU EIGENTLICH HIER GELANDET?
Das erste Mal bin ich über die Alanus Hochschule gestolpert, als ich mich mit dem Thema „Grundeinkommen“ beschäftigt habe. Ein paar Jahre später habe ich von Kollegen Berichte über den Campus I gehört. Sie hatten dort einen Workshop gemacht und waren von der Atmosphäre begeistert. Richtig konkret wurde es, als Prof. Kluge mich auf einer Veranstaltung ansprach, ob ich mir vorstellen könnte, den Studierenden an der Alanus Hochschule BIM-Grundlagen zu vermitteln. Das haben wir dann in einem Kompaktseminar gemacht und etwas weiterentwickelt.
WIE WÜRDEST DU JEMAND BIM ERKLÄREN, DER NOCH NIE DAVON GEHÖRT HAT?
Um BIM zu verstehen, ist es immer ganz hilfreich zu wissen, wo wir in Bezug auf die Planungsprozesse und -werkzeuge eigentlich her kommen: Bis vor wenigen Jahren – und in einigen Architekturbüros bis heute – ist es üblich, zweidimensionale Pläne zu zeichnen, die beschriftet werden, um sie verständlich zu machen. Die oftmals große Zahl an Plänen braucht der Architekt für die Kommunikation mit den Planungsbeteiligten und natürlich auch mit seinem Bauherren. Informationen, die auf den Plänen stehen sind aber nicht miteinander verbunden und müssen bei Änderungen des geplanten Gebäudes in jedem einzelnen Plan geändert werden. Beispiel: Ich verschiebe eine Wand im Grundriss, dadurch ist die Wand in der Ansicht oder in einer Liste für Mengenermittlungen noch lange nicht geändert.
Mit BIM ist das nicht mehr so, denn die Grundidee ist: Wir haben ein Gebäudemodell aus dem sich alle notwendigen Informationen für die Kommunikation ableiten lassen: Pläne für unterschiedlichste Zwecke, Listen, Berechnungen und vieles mehr. Man kann sich BIM auch vorstellen wie eine „Sprache für Gebäude“. Durch eine weltweit immer besser werdende Standardisierung kann ich hier in Alfter ein Modell erstellen und jemand in Mexico kann es lesen, visualisieren oder sogar weiterverwenden. Ein Tür wird direkt als Tür erkannt und ein Fenster als Fenster.
HAST DU DICH SCHON IMMER FÜR DIGITALE PLANUNGSPROZESSE
INTERESSIERT ODER GAB ES DA EINEN SCHLÜSSELMOMENT?
Digitalisierung und virtuelle, dreidimensionale Welten haben mich schon immer fasziniert und ich bin vor Beginn meines Studiums eigentlich fest davon ausgegangen, dass die digitalen Möglichkeiten in Planungsprozessen auch genutzt werden. Das war aber nicht der Fall und erstmal ziemlich frustrierend für mich. Ich wollte eigentlich nicht unbedingt einem mittelalterlichen Architekten nacheifern, sonder eher einem aus dem Star Trek Universum. Wenn man wenig geboten bekommt, muss man sich halt selbst um das kümmern, was einen interessiert und das habe ich getan.
WAS KÖNNEN STUDIERENDE BEI DIR LERNEN?
Ich hoffe, dass sie neben den Grundbegriffen von BIM bei mir vor allem lernen, wie man die Digitalisierung nutzen kann, um seine Ziele einfacher und mit mehr Qualität zu erreichen. BIM bietet die Chance sich selbst zu überprüfen, wie es Generationen vor uns nie konnten. Ich konstruiere etwas und kann mit Hilfe einer VR-Brille den digitalen Prototypen begehen. Dadurch kann ich lernen und meine Architektur kann besser werden!
ZURZEIT ENTSTEHT DAS NEUE DIGILAB – WORUM GEHT ES DABEI?
In erster Linie geht es darum, einen Raum zu schaffen, in dem es durch die entsprechende Ausstattung möglich wird, einige digitale Experimente durchzuführen. Toll wäre es, wenn wir möglichst bald gemeinsam die Möglichkeit haben, in virtuelle Welten einzusteigen. Entwürfe, die mit BIM geplant wurden können in Zukunft in der virtuellen Realität erlebt werden.
WARUM SOLLTEN DEINER MEINUNG NACH ARCHITEKTURSTUDIERENDE
HEUTE TROTZDEM NOCH FREIHANDZEICHNEN
LERNEN? (ODER AUCH NICHT MEHR?)
Ich möchte das gar nicht entscheiden. Jeder sollte sich seine Werkzeuge selbst aussuchen dürfen. Nun hatte ich in meinem Studium nicht immer das Gefühl, dass ich mir meine Werkzeuge wirklich aussuchen darf. Es wäre toll, wenn das unseren Studierenden nicht passiert! Schlussendlich geht es ja im Architekturstudium nicht darum, die Fähigkeit zu erlernen, Gebäude zu zeichnen oder zu modellieren, sondern dafür zu sorgen, dass Gebäude in ihrem Kontext eine möglichst hohe Qualität haben. Hier gilt mal nicht „der Weg ist das Ziel“, sondern: „das Gebäude ist das Ziel“.
WAS MACHST DU WENN DU NICHT IN DER LEHRE AN DER ALANUS BIST?
Ich bin Vorstand der Formitas AG. Das ist ein Team von mittlerweile über 60 Menschen, die sich für die Digitalisierung in der Baubranche begeistern. Wir arbeiten in einer Unternehmensstruktur, die sehr auf Kooperation und ein sinnstiftendes Miteinander setzt. Privat steht die Familie an erster Stelle und ich freue mich auf die Zeit, wenn ich wieder wie gewohnt Sport machen darf.
WAS WÜNSCHST DU DIR FÜR DIE KOMMENDEN JAHRE AN DER ALANUS?
Es wäre super, wenn ich auf der einen Seite Impulse aus der Praxis in die Lehre einfließen lassen könnte. Auf der anderen Seite würde ich mir wünschen, mit den Studierenden der Alanus und natürlich auch mit den ProfessorInnen und MitarbeiterInnen, das ein oder andere Thema mehrere Schritte weiter denken zu können! Und natürlich Wünsche ich mir persönliche Begegnungen, auch wenn ich froh bin, dank Corona nicht für digitale Lehrformate werben zu müssen.